* Zitat von Heinrich Heine (1797-1856)
„Schläfst du?“ Diese Frage ist nur mit „nein“ zu beantworten. Wenn wir eingeschlafen sind, sind wir nicht ansprechbar. Wir sind eigentlich gar nicht bei Bewusstsein. Das gilt für die meisten Menschen ungefähr für ein Drittel ihres Lebens. Vertane Zeit? Einige außergewöhnliche Menschen haben das so gesehen. Zum Beispiel Leonardo da Vinci oder Napoleon. Sie kamen anscheinend mit sehr wenig Schlaf aus. Sie litten trotzdem nicht unter chronischer Müdigkeit und konnten dazu noch Großes leisten.
Wenn Sie die Frage in der Nacht häufig mit „nein“ beantwortet können, dann könnte eine Schlafstörung bestehen. Vielleicht würden Sie gerne schlafen, aber es gelingt nicht. Jeder hat das schon erlebt, die nächtlichen Stunden, die oft mit Grübeleien gefüllt sind und nur quälend langsam vergehen. Für die meisten von uns eine Ausnahme, für andere aber tägliches Erleben.
Warum müssen wir schlafen?
Schlaf ist für den Menschen überlebensnotwendig. Trotz aller neuen Erkenntnisse ist es wissenschaftlich noch nicht geklärt, warum wir überhaupt den Schlaf brauchen. Es gibt Lebewesen, mit extrem kurzen Schlafzeiten auskommen. Der Schlaf hat Auswirkungen auf das Immunsystem und den Stoffwechsel. Im Zentrum steht jedoch das Gehirn mit seinen Funktionen. Die Abläufe im Gehirn während der Schlafphasen werden im Detail erst teilweise verstanden. Wach- und Schlafphasen beim gesunden Menschen folgen jedenfalls dem Verlauf der Tageszeiten, d.h. sie wechseln sich innerhalb von ca. 24 Stunden ab (zirkadianer Rhythmus). Dieser Rhythmus ist sehr stabil und bleibt auch ohne Taktgeber (nämlich den Tageszeiten) bestehen. Nur bei Neugeborenen fehlt anfänglich der Rhythmus und bei hochbetagten Menschen kann er wieder verloren gehen. Das führt dann zu unerwünschten nächtlichen Aktivitäten und zum Tagschlaf. Schlafstörungen sind weit verbreitet. Es wird geschätzt, dass ungefähr 20 – 30 % aller Menschen an Schlafstörungen leiden, wovon die Hälfte behandlungsbedürftig ist.
Der Schlaf ist für die Funktion unseres Gehirns von großer Bedeutung. Im Schlaf ist unser Gehirn nicht abgeschaltet oder arbeitet nur mit halber Kraft; es ist im Gegenteil sehr aktiv. Es laufen dort Vorgänge ab, die nicht auftreten, wenn wir wach sind. Vermutlich werden die Eindrücke und Erlebnisse des Tages verarbeitet und abgespeichert.
Mit der Aufzeichnung von Gehirnströmen (Elektroenzephalogramm) während des Schlafs werden vier Schlafphasen unterschieden. Sie reichen vom leichten Schlaf bis zum Tiefschlaf und folgen im Laufe des Schlafs mehrfach aufeinander. Dazu lässt sich noch eine besondere Schlafphase mit schnellen Augenbewegungen beobachten. Die Phase heißt deswegen REM-Schlaf (Rapid Eye Movement). Diese auch paradoxer Schlaf genannte Phase ist mit intensivem Träumen verbunden. Dabei wird die Muskulatur gehemmt, so dass Körperbewegungen trotz der Träume unterbleiben. Ungefähr 20 – 25 % unseres Schlafes verbringen wir im REM-Schlaf, der sehr wichtig für einen erholsamen Schlaf ist.
Gestörter Schlaf und Schlaflosigkeit
Ungefähr 8 Stunden – ein Drittel des Tages – brauchen wir durchschnittlich für einen erholsamen Schlaf. Es gibt jedoch große individuelle Unterschiede im Schlafbedarf. Der Schlaf ist dann nicht erholsam, wenn er gestört wird. Äußere Faktoren wie Umweltlärm, Licht, Schichtarbeit, Stress am Arbeitsplatz oder im Privatleben lassen uns nicht einschlafen oder durchschlafen. Eine zu kurze Schlafdauer führt zu chronischem Schlafmangel und zur Tagesmüdigkeit mit allen Folgen.
Einige Krankheiten gehen mit Schlafstörungen einher. Bei Herzleistungsstörungen oder Vergrößerungen der Prostata kommt es zu häufigen Schlafunterbrechungen wegen einer gefüllten Blase. Bei Depressionen, Demenzen (z.B. Alzheimer-Krankheit) und psychiatrischen Erkrankungen kann der Schlafrhythmus gestört sein. Überfunktionen der Schilddrüse, Muskelkrämpfe, chronische Schmerzen, Gefäßerkrankungen (Krampfadern), nächtliches Sodbrennen, zu viel an Alkohol und Koffein können ebenfalls den Schlaf beeinträchtigen. Auch Medikamente können Schlafstörungen auslösen. Dazu zählen einige Mittel gegen Depression und die Parkinson-Krankheit, Appetitzügler, Betablocker (gegen Bluthochdruck), bestimmte Antibiotika und empfängnisverhütende Mittel.
Eine besondere Bedeutung hat das Schlafapnoe-Syndrom. In vielen Fällen hat das Syndrom mechanische Ursachen. Im tiefen Schlaf in Rückenlage fällt der Zungengrund zurück und verschließt die oberen Atemwege. Diese wiederholten, bis zu 2 Minuten anhaltenden Atemstillstände alarmieren das Gehirn und führen zu – meist unbemerkten – Aufwachreaktionen. Die Schlafqualität ist dadurch beeinträchtigt. Die Folgen sind Müdigkeit und Schläfrigkeit am Tage mit Sekundenschlaf. Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom kommt häufig bei Übergewichtigen und zunehmend im Alter vor. Ungefähr 4 % der Frauen und 9 % der Männer leiden daran.
Rezepte gegen Schlaflosigkeit
Wird der Schlaf durch Umwelteinflüsse oder Krankheiten mit anderen Ursachen gestört, so muss man an diesen ansetzen. Der Verdacht auf ein Schlafapnoesyndrom lässt sich durch eine Untersuchung im Schlaflabor bestätigen oder widerlegen (am Klinikum Sindelfingen befindet sich z.B. ein Schlaflabor).
Es gibt eine Reihe von wirksamen Schlafmitteln, die eingenommen werden können. Da solche Schlafmittel die Ursachen der Schlafstörung nicht beseitigen, sollte man sie nur für kurze Zeit einsetzen (wenige Tage). Bei manchen Mitteln tritt eine Gewöhnung auf und ihre Wirkung lässt nach. Die stärker wirksamen Mittel sind verschreibungspflichtig. Es gibt auch wirksame pflanzliche Mittel, z.B. Baldrian.
Wer keine schwerwiegenden Schlafstörungen hat, sollte versuchen, seine Schlafhygiene zu verbessern, soweit er kann.
Dr. PM Bittighofer