Bei den „Paralympics“, den Sportfesten für behinderte Menschen im Anschluss an die Olympischen Spiele, zeigen die Sportler, welche Fähigkeiten in ihnen stecken und wie sie mit und trotz ihrer Behinderungen erstaunliche Erfolge erreichen.
Nicht nur im Sport können wir solche Entwicklungen erleben. Überall gibt es Menschen, die es trotz Benachteiligungen in ihrem Leben zu persönlichem Glück und Erfolg gebracht haben. Sie sind ihren Weg aus Elend und Armut gegangen. Sie haben unerwartete Schicksalsschläge erlitten und sind daran nicht gescheitert. Diese Menschen haben offenbar Kräfte, die es ihnen trotz der widrigen Umstände erlauben, die Herausforderungen im Leben zu bestehen. Diese Fähigkeit wird als Resilienz bezeichnet.
Resilienz bedeutet Robustheit, Widerstandskraft, Standhaftigkeit
Der Begriff wird in der Technik und den Materialwissenschaften, besonders aber in der Psychologie verwendet. Er steht dort für die Fähigkeit, Lebenskrisen zu bewältigen und seine seelische Gesundheit zu bewahren. Dazu gehören Anpassungsfähigkeit, Belastbarkeit, und ein hohes Maß an Selbstvertrauen. Resiliente Personen gehen mit Belastungen in ihrer Lebens- und Arbeitswelt angemessen um. Sie verzweifeln nicht. Sie geben ihrem Leben Sinn. Sie können ihre Emotionen kontrollieren. Sie sind kontaktfähig. Sie behalten sozusagen immer das Heft in der Hand. Sie können sich auf diese Weise ihre psychische Gesundheit erhalten.
Resilienz ist nicht nur eine Frage der Persönlichkeit. Es wäre zu kurz gedacht, sie nur als unveränderliches Charaktermerkmal zu sehen, also als Schicksal, an dem sich nichts ändern lässt. Auch die Lebensumstände sind für die Entwicklung einer Resilienz wichtig. Sozialer Zusammenhalt durch Familie, Religion, Schule tragen ebenfalls zur Persönlichkeitsentwicklung bei.
Resilienz ist trainierbar
So wie wir mit sehr verschiedenen körperlichen Eigenschaften geboren werden, bringen wir unterschiedlichen psychischen Eigenschaften mit auf die Welt. Empfindsamkeit, Verletzlichkeit, Ängstlichkeit, Mutlosigkeit stehen seelischer Robustheit, Belastbarkeit und Tatkraft gegenüber. Heranwachsende lernen dann durch Erziehung und eigene Erfahrung, wie Probleme, Krisen und Schicksalsschläge angegangen werden können. Das heißt, dass die Familie, das soziale Umfeld (Freunde, Schule, Vereine, Arbeitsplatz) uns lehren kann, wie wir Gefühle, z.B. Trauer, Wut, Verzweiflung, beherrschen und Eigenschaften wie Akzeptanz, Geduld, Toleranz und Selbstbewusstsein einüben können.
Ein Schicksalsschlag kann Menschen erdrücken. Sie scheitern an der Bewältigung. Ohne psychologische Hilfe können sie nicht mehr aus einem Seelental herausfinden. Resilienz muss dann trainiert werden. Das anstehende Problem muss akzeptiert und richtig wahrgenommen werden, die eigenen Kräfte müssen sich darauf konzentrieren. Strategien müssen entwickelt werden, wie das Problem gelöst werden soll. Eine optimistische Grundhaltung ist dazu eine gute Voraussetzung.
Eine solche Herausforderung kann z.B. die (plötzliche) Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen sein. Schulungsangebote, wie sie in dieser Ausgabe von erLEBENSwert dargestellt werden, sind da hilfreich; sie vermitteln Techniken, wie man sich einem auf den ersten Blick scheinbar unlösbaren Problem stellen kann. Sie bieten Rückhalt durch Gesprächsmöglichkeiten und Erfahrungsaustausch mit anderen, die das gleiche Problem haben.
Auch die Religiosität spielt eine Rolle. Es gibt eine Reihe von Studien, die bei Gläubigen eine besonders robuste Psyche feststellen. So sollen Gläubige ein stärker ausgeprägtes Selbstwertgefühl haben. „Nicht nur im Hinblick auf viele andere psychische Parameter, auch was die körperliche Gesundheit angeht, schneiden sie gut ab. Das wird auf die Sinnstiftung durch den Glauben, stabilisierende religiöse Rituale und den Wert sozialer Bindungen zurückgeführt.“ [1]
Als Resilienz kann lässt sich auch beschreiben, was Reinhold Niebuhr in seinem oft zitierten Gebet so zusammenfasst: „Gott, gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“[2]
[Dr. Peter Michael Bittighofer]
[1] Martina Lenzen-Schulte, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. Febr. 2014: Resilienz: Schützt der Glaube vor Depression?
[2] Reinhold Niebuhr, amerikanischer Theologe und Philosoph, *1892, +1971